Wenn wir eine Brauerei besuchen, stehen für uns in der Regel Faktoren wie Geschichte oder Alleinstellungsmerkmale des Unternehmens im Vordergrund. Auch die Technik im Sudhaus und Füllerei sowie die Stromversorgung mit erneuerbaren Energien finden wir hochinteressant. Am wichtigsten, ganz klar, ist aber natürlich das Endprodukt, unser geliebtes Bayerisches Bier! Der Besuch in der Schlossbrauerei Sandersdorf,
dem wir schon lange entgegenfieberten, aber aufgrund Umbauarbeiten etwas warten musste, stellte das alles auf den Kopf. In diesem Beitrag müssen wir erstmals den Menschen in den Vordergrund stellen. Wir können hier gar nicht anders, seine Geschichte hat uns bewegt und fasziniert zugleich. Und sie zeigt was man mit Fleiß, Schweiß, Mut und harter Arbeit alles erreichen kann. Braumeister Soran ist ein Paradebeispiel vorbildlich gelungener Integration und das Beste: Er braut mit seinem Team ein richtig süffiges Biobier!
Flucht des Braumeisters vor Saddam Husseins Regime
Der heute 45-jährige Kurde aus der Provinz Sulaimaniyya im Nordirak, flüchtet einst vor dem Regime Saddam Husseins. Die Route war lange und gefährlich, es galt viele Hindernisse zu überwinden bis er schließlich am 15.12.2000 erstmals Fuß auf Bayerisches Staatsgebiet setzen konnte. Der Anfang in seiner neuen Heimat war alles andere als leicht. Sein Landwirtschaftsstudium wurde in Deutschland nicht anerkannt. So musst er sich zu Beginn mit einem Job bei einem Automobilzulieferer durchschlagen. Innerhalb kürzester Zeit avanciert er dort zu einem der wichtigsten Mitarbeiter und war in der Lage alle Anlagen und Arbeitsstationen zu bedienen. Richtig erfüllt hat ihn diese Tätigkeit aber nie. Glücklicherweise lernte er 2002 beim Besuch des Steuerberaters seine Frau kennen. Seit 2006 sind die beiden glücklich verheiratet und haben zwei Kinder.
Sie war es auch die ihn auf die Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf aufmerksam machte. Die gemeinnützige Stiftung bietet u.a. Programme im Bereich der beruflichen Fortbildung an. Im Gegensatz zum Studium wurde sein Abi zwar anerkannt, eine berufliche Umorientierung auf regulären Wege wäre jedoch aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen. Da er zu diesem Zeitpunkt bereits verheiratet war und seine Kinder hatte, wurde im das Bafög verweigert. Die Hans-Böckler-Stiftung war dann die Rettung. Er bewarb sich für ein Förderprogramm und wurde zwei Monate später zu einem Gespräch bei Poing in München eingeladen. Man erkannte Sorans Potential und bewilligte schließlich finanzielle Hilfen für einen Studienplatz.
Schlossbrauerei Sandersdorf erkennt Potential von Braumeister Soran
Einzige Frage, die nun noch im Raum stand: Was möchte ich denn studieren? Soran erzählt uns das er schon immer mit Lebensmitteln arbeiten wollte. Privat fuhr er zu dieser Zeit häufiger an einer Brauerei in der Oberpfalz vorbei und war beeindruckt von den riesigen Kesseln und Tanks. Irgendwann dachte er sich „Mensch, Braumeister, dass wäre doch ein Job für mich. Und Bier mag ich ja auch!“. Gesagt, getan! Ohne vorherige Ausbildung in diesem Bereich begann Soran ein Studium zum Diplom-Braumeister an der renommierten Hochschule Weihenstephan. Teil des Studiums war ein Praxissemester, dass er 2014 bei der Schlossbrauerei Sandersdorf absolvierte. Bereits da schien er bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben. So kam es das Soran, der das Unternehmen durch sein Praktikum bereits kannte, mit den Anlagen vertraut war und das nötige Fachwissen frisch erworben hatte, zum 01.05.2016 als neuer Braumeister in der Schlossbrauerei Sandersdorf übernahm.
Seitdem hat sich in der 1550 gegründeten Brauerei einiges getan. Mit dem Kauf durch die Familie Horsch & Salleck 2019 änderte sich auch die Firmenphilosophie. Die Themen Bio, Nachhaltigkeit und Naturverbundenheit werden in der Gesellschaft immer wichtiger und hielten so auch in der Schossbrauerei Sanderdorf Einzug. Für Soran bedeutete das 2019 zugleich die bisher größte Herausforderung in seiner beruflichen Laufbahn, zusammen mit seinem Team durfte er das erste BIO Bier der Schlossbrauerei Sandersdorf kreieren. Die Ende 2019 aufflammende weltweite Corona Pandemie bedeutete tiefe Einschnitte in das Leben aller Menschen und Unternehmen. Gewohntes agieren war kaum mehr möglich. Trotz all dieser Widrigkeiten war es durch einen Kraftakt aller Abteilungen möglich innerhalb kürzester Zeit das neue Biobier nicht nur erfolgreich einzuführen, sondern fest in der bayerischen Bierlandschaft zu etablieren. Eine anfängliche Skepsis der Kunden wich schnell der Begeisterung über das neue Helle.
Schlossbrauerei Sandersdorf steht für Biobier und Nachhaltigkeit
Für Soran und das gesamte Brauereiteam ist BIO übrigens nicht einfach nur eine Werbephrase. „Unser Chef ist sehr naturverbunden, ihm ist es sehr wichtig das die Philosophie ganzheitlich Anwendung findet, es zieht sich wie ein roter Faden durch alle Bereiche der Brauerei und wird konsequent weiterentwickelt“. Auf den Dächern des Unternehmens wurde erst kürzlich eine nagelneue PV Anlage installiert. Sorans Firmenwagen ist ein E-Fahrzeug der neusten Generation. Die Zutaten für die Biere stammen alle aus der näheren Umgebung, den Hopfen bezieht man direkt vom Bauern aus der Hallertau. Zum Brauen wird Wasser aus der Jura verwendet. Technische Modernisierungsmaßnahmen wie ein neues Sudhaus befinden sich bereits in der Planungsphase und werden das Thema Nachhaltigkeit und BIO in der Brauerei weiter manifestieren.
Gerade Letzteres zieht einen nicht zu unterschätzenden Aufwand nach sich. Denn das BIO Siegel bekommt man nicht „einfach so“. Die Auflagen dazu sind schwierig einzuhalten und erfordern ein hohes Maß an zeitlichen und finanziellen Aufwand. Einmal im Jahr findet dazu ein Audit im Unternehmen statt. Allein die Vorbereitung der dazu notwendigen Dokumente erfordert eine gesamte Woche Aufwand. Das Zertifikat bekommt die Brauerei jedoch nur wenn sie nachweisen kann, dass auch ihre Rohstofflieferanten allesamt Biozertifiziert sind. Ebenso muss die Rückverfolgbarkeit der Rohstoffe bis zum Bauern sichergestellt sein. Das sind nur einige der zu erfüllenden Auflagen, eine gesamte Übersicht würde den Umfang dieses Artikels sprengen.
Ob sich dieser Aufwand lohnt, muss letztendlich jede Brauerei für sich selbst entscheiden. Bei der Schlossbrauerei Sandersdorf sind wir ob dieser Entscheidung jedenfalls sehr glücklich. Das Helle ist süffig, Bukett und Geschmack zaubern ein Grinsen in die Gesichter der Bierliebhaber. Wer behauptet „Biobier schmeckt einfach nicht“ der darf gerne das Helle aus der Schlossbrauerei Sandersdorf probieren und sich eines Besseren belehren lassen. Unter den rund 350 Bieren, die wir bisher in unserem Blog verkostet haben, siedelt sich dieses Helle ohne Frage weit oben an.
So funktioniert Integration!
Bei der Heimfahrt haben wir uns im Auto noch lange über den Braumeister, sein Team und die Schlossbrauerei Sandersdorf unterhalten. Wir sind fasziniert, wie Soran es mit Leidenschaft, Engagement und Ehrgeiz vom Flüchtling aus dem Irak zum angesehen Braumeister, der Bier und die bayerischen Traditionen lebt und liebt, geschafft hat. Mit Fug und Recht darf er auf das Erreichte Stolz sein. Auch der Brauerei gilt ein großes Dankeschön. Ohne Frage gibt es noch immer viele Unternehmen die Flüchtlingen gegenüber skeptisch eingestellt sind. Doch auch diese Menschen tragen häufig ein großes Potential in sich. Die Schlossbrauerei Sandersdorf hat das erkannt und mit Soran einem absolut sympathischen Menschen ein große Chance gegeben. Und es zahlt sich aus. Für die Schlossbrauerei, weil sie einen Mitarbeiter hat, der mit viel Liebe und Einsatz dabei ist. Für Soran, weil er in diesem Job aufblüht und sich selbst verwirklich kann. Und für uns Biertrinker, weil euer Gerstensaft eine wahre Bereicherung in der bayerischen Biobier Landschaft darstellt.
Wir blicken schon heute mit viel Vorfreude der nächsten „Hoiben“ bei interessanten Fachgesprächen mit Soran entgegen!
Bis bald,
Euere BavarianBeerDudes
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Toller Bericht! Braumeister Soran beweist, dass es immer auf den einzelnen Menschen und seinen Willen zur Integration ankommt!! Was das Bier betrifft, habe ich gerade das BioBock Hell probiert. Kann ich mit seinen 7,5%Alc. als Genussbier gerne allen Bierliebhabern zum Testen empfehlen .